Vorfreude
Obwohl mein Mann Gerald nach seiner schweren Erkrankung noch nicht einmal richtig gehen konnte musste ich ihm bereits Ende 2007 Prospekte über Kreuzfahrten ins Krankenhaus bringen, da er unbedingt 2008 wieder eine Fahrt machen wollte. Unseren Gedanken an die ursprünglich geplante Atlantiküberquerung mussten wir zwar vorerst auf Eis legen, aber der Wunsch wieder in See zu stechen war bei uns beiden groß. Ich wollte gerne den Atlantik wieder sehen und Gerald träumte davon, mir in Casablanca in die Augen zu schauen. Als im Frühjahr dann ein supertolles, megagünstiges Angebot von Costa ins Haus flatterte schob ich alle Bedenken bzgl. des Gesundheitszustands meines Mannes beiseite und die Reise wurde gebucht. Für mich würde sogar ein zweimaliges Highlight dabei sein – die Passage durch die Straße von Gibraltar! Würde es mir wohl auf dieser Kreuzfahrt vergönnt sein, endlich einmal mehr als nur Nebel zu sehen?
Unser Schiff, die Costa Serena, die erst im Mai 2007 getauft wurde, ist 290m lang, 35,5m breit und bietet Platz für 3780 Passagiere. Hatten wir nicht im vergangenen Jahr die Costa Magica als schon fast zu groß empfunden? Nun sollte es also noch mal eine Nummer größer werden…
Die Wochen vergingen und als wir schließlich unsere Reiseunterlagen erhielten wurde mir erstmals so richtig bewusst, dass wir in Kürze wieder auf Kreuzfahrt gehen würden. Endlich wieder das Meer sehen, endlich wieder den Luxus an Bord genießen, endlich wieder zur Ruhe kommen…
27.11.2008 – Tag der Abfahrt
Um 20 Uhr waren die Koffer endlich gepackt und meine Mutter fuhr uns zum Regensburger Bahnhof. Hier schloss sich uns ein netter junger Mann an, der unser Bayern-Ticket mit nutzen wollte. Geld wollten wir keines dafür, allerdings wurde Johannes zwangsverpflichtet, uns mit unseren Koffern zu helfen. Hat er gut gemacht!
Am Hauptbahnhof in München stärkten wir uns erst einmal mit Bier und Fleischpflanzlsemmeln bevor wir mit dem Taxi nach Fröttmaning fuhren. Am Busparkplatz angekommen mussten wir zunächst einen guten Platz im Bus ergattern, den wir dank Geralds Behinderung auch bekamen. Gemeinsam an einem Tisch mit Sebastian und Karin aus Wörth a.d. Donau ging gegen Mitternacht die Fahrt Richtung Savona los.
28.11.2008 – Fahrt nach Savona
Die Nacht verbrachte ich im Halbschlaf und bewunderte am San Bernadino Pass die wunderschöne Winterlandschaft. Da fand ich den Schnee auch noch toll, was sich in der Früh allerdings ändern sollte – in Italien herrschte nämlich das ultimative Chaos aufgrund eines Wintereinbruchs.
Bei der Rast auf einer Tankstelle konnten wir die italienischen Angestellten bei einer Schneeballschlacht beobachten und erstanden coole Lazio-Caps. Da die Autobahnen für Busse und Lkws gesperrt wurden versuchten uns unsere Busfahrer über Schleichwege nach Savona zu bringen, aber ca. 60km vor unserem Ziel war Schluss – angeblich war die Landstraße für uns nicht passierbar. Ich hätte heulen können.
Ab Mittag saßen wir an der Mautstelle bei Ovada fest. Zwar wurde der Schneefall weniger, doch die Carabinieri verweigerten uns die Durchfahrt auf die Autobahn. Stunde um Stunde verging und langsam machte sich Verzweiflung breit. Sollte die Fahrt wirklich 60 km vor dem Ziel zu Ende sein? Ein paar Mitreisende älteren Semesters waren natürlich die ganze Zeit über schlauer als die Busfahrer, die wirklich bemüht waren einen Weg nach Savona zu finden und selbst vor Bestechung der Carabinieri mit Kaffee nicht zurückschreckten. Um 17 Uhr hätte die Costa Serena normalerweise abgelegt, da aber noch etwa die Hälfte der Passagiere fehlte wurde dies verschoben. Ich war nervlich und körperlich am Ende, zu Rücken- und Knieschmerzen kam die Befürchtung, dass wir wieder nach Hause fahren müssten. Besonders die älteren Mitreisenden wollten nicht noch eine Nacht im Bus verbringen und meuterten, worauf der Bus sich auf den Weg zu einer Pizzeria mit Hotel in Ovada machte. Unser Busfahrer bekam allerdings von seinem Chef telefonisch die Anweisung, uns unter allen Umständen nach Savona zu bringen und da wir mittlerweile auch erfahren hatten, dass die Landstraße eventuell doch für uns passierbar war begaben wir uns auf eine abenteuerliche Fahrt über einen verschneiten Pass – landschaftlich äußerst reizvoll und unter anderen Umständen hätte mir diese winterliche Berglandschaft auch sehr gefallen. Aber so wollte ich nur noch aufs Schiff. Alles an mir klebte, da die Temperatur im Bus bei gefühlten 38°C lag und ich hatte Hunger und war müde.
Unser Busfahrer schaffte tatsächlich das Wunder, wir überlebten die Fahrt und konnten schließlich endlich auf die Autobahn nach Savona. Seltsamerweise war nach kurzer Zeit kein bisschen Schnee mehr zu sehen. Hmpf! Gegen 19 Uhr erreichten wir schließlich Savona, die drittgrößte Stadt Liguriens an der italienischen Riviera, und beim Anblick der Costa Serena waren auf den Schlag alle Strapazen der letzten Stunden vergessen.
Das Einschiffen verlief extrem schnell (ein Zollbeamter grinste mich bei der Passkontrolle mit den Worten: „Bayern Munchen“ an – dem gefiel wohl mein Schal) und innerhalb kürzester Zeit waren wir an Bord und in unserer Kabine. Ich konnte es kaum fassen, wir hatten es tatsächlich geschafft! Erst einmal gönnte ich mir eine Kippe auf dem Balkon, nachdem ich mir schnell bei unserer Kabinen-Stewardess einen Aschenbecher organisiert hatte. Da unsere Koffer noch nicht auf der Kabine waren gingen wir asozial wie wir waren auf Deck 9 zum Buffetrestaurant „Prometeo“, um uns die Mägen mit Pizza und Salat zu füllen. Das Abendessen im Restaurant „Ceres“ hatten wir ja aufgrund unserer „etwas“ verspäteten Ankunft verpasst, was uns aber ziemlich egal war – Hauptsache wir waren überhaupt an Bord. Beim Blick aus dem Fenster entdeckten wir die Costa Atlantica, die neben uns im Hafen lag. Ein toller Anblick!
Nachdem also das „Wichtigste“ erledigt war gingen wir noch mal kurz auf unsere Kabine, um endlich die Klamotten zu wechseln (zwei Koffer waren mittlerweile da, die beiden anderen organisierte ich kurzer Hand selber). Dann war es Zeit für einen kleinen Rundgang zur allgemeinen Orientierung – die Schokoladen-Bar „Juventas“(kaum zu verfehlen aufgrund des intensiven Schokoladengeruchs) sowie die Sport-Bar „Victoria“ waren schnell gefunden – und einen Cocktail des Tages („Vento di Ponente“) an der „Bar Pantheon“. Diese Bar im Atrium wird künftig von mir meist als Mittelbar bezeichnet.
Immer noch kamen Passagiere an Bord und das Auslaufen des Schiffes wurde immer wieder verschoben bis wir schließlich gegen 22 Uhr (?) den Hafen von Savona verließen und Kurs auf Barcelona nahmen.
Da wir beide ziemlich kaputt waren wurde es nur ein kurzer Abend an der Bar. Um Mitternacht organisierten wir uns noch schnell ein paar Überraschungshäppchen auf Deck 5 bevor wir ins Bett und in einen tiefen Schlaf fielen.
29.11.2008 – Barcelona
Noch vor 8 Uhr wurde ich wach und genoss bei frischen 11°C den grandiosen Ausblick auf dem Balkon. Leider erfuhren wir, dass unser Ausflug zum Camp Nou ausfallen musste, da wir später als eigentlich geplant in Barcelona einlaufen würden. Gerade auf diesen Ausflug hatte ich mich so gefreut.
Wir begaben uns auf Deck 9 um zu frühstücken und waren gerade damit fertig als der Aufruf zur obligatorischen Rettungsübung kam. Also diese schnell hinter uns gebracht und dann wieder auf Deck 9 zum Lesen, Schreiben und Relaxen. Es war auch einiges an „Unterhaltung“ geboten: zunächst wurde erklärt wie man diverse Cocktails mixt, danach wurde so eine Art „Reise nach Jerusalem“ gespielt: Leute mit selten bescheuerten grünen und orangen Hüten tanzten in einer Art Polonaise um den Pool rum bis die Musik gestoppt wurde, dann mussten sie zurück zu den Stühlen. Ich hätte vor Lachen beinahe meine Kippe gefressen. Das Treiben wurde natürlich vom typischen Italiener mit Schmalzfrisur und Sonnenbrille beobachtet. Hier sei erwähnt, dass wir zu diesem Zeitpunkt gerade durch eine dunkle Wolke fuhren und es regnete.
Mittags gab es im Buffetrestaurant mexikanische Spezialitäten. Ich hätte am liebsten gar nicht mehr zu essen aufgehört. Das Frühstück wie auch das Mittagessen würden wir die ganze Reise über immer im Buffetrestaurant einnehmen. Man könnte dazu auch ins Restaurant „Ceres“ gehen, aber wir bevorzugen eindeutig das Buffet mit den täglich wechselnden Spezialitäten und traumhaften Pastagerichten. (Zum Thema Abendessen auf der Costa Serena folgen an späterer Stelle noch ein paar Infos.)
Im Anschluss ging es zum Registrieren unserer Kreditkarten bevor wir einen Verdauungsspaziergang über die oberen Decks machten, wo wir auch den Formel 1-Simulator entdeckten. Es war ganz schön windig, als ich kurz mit meiner Mutter telefonierte flog sogar ein Stuhl an mir vorbei. Während das Schiff immer mehr schwankte fuhren wir in die „Mittelbar“, wobei der Aufzug auf einmal so krachte, dass mir ganz anders wurde. Dafür schmeckte das Franziskaner danach umso besser.
Aufgrund der Verzögerungen in Savona liefen wir erst gegen 16 Uhr in den Hafen von Barcelona, der Hauptstadt der Autonomen Region Katalonien und zweitgrößten Stadt Spaniens, ein.
Wir entschlossen uns an Bord zu bleiben. Um wirklich etwas von der Stadt zu sehen war die Zeit einfach zu kurz, da wir nicht schon wieder das Abendessen verpassen wollten, das für uns um 18.45 Uhr im Restaurant „Ceres“ auf dem Programm stand. Außerdem war Gerald noch ziemlich fertig von der strapaziösen Anreise und auch ich fühlte mich nicht wirklich fit. Eigentlich schade, Barcelona soll wirklich eine schöne Stadt sein. Ich hoffe aber, dass wir hier wieder einmal vorbei kommen.
Wir spazierten über die oberen Decks, um Fotos zu machen. Das Wetter war auch wieder besser geworden und die Sonne kam durch. Hinter uns (Oder vor uns? Wo zur Hölle ist bei diesem Schiff eigentlich vorn und hinten?) lagen zwei weitere Kreuzfahrtschiffe (die Oceanic und möglicherweise die Voyager of the Seas, konnte ich von Bord aus nicht erkennen). Nach einem Stückchen Pizza sowie Tee und Kaffee lauschten wir den Geschichten über Seekrankheit vom Nebentisch, die von mir mit einem dreckigen Grinsen kommentiert wurden.
Danach ging es schnell in die Kabine zum Umziehen und dann in die Sport-Bar, um vor dem Abendessen noch einen Cocktail des Tages zu testen („Costa Brava“). Leicht angedüdelt begaben wir uns ins Restaurant „Ceres“ und im Anschluss ging es auf Bar-Tour: Mittelbar, Sport-Bar und Discoteca „Pan“, wo uns DJ Luca mit seiner Musikauswahl „erfreute“. Ganz ehrlich, nüchtern war ich an diesem Abend nicht.
30.11.2008 – 1. Seetag
Nach einem langen, erholsamen Schlaf standen wir spät auf und ließen das Frühstück fast nahtlos ins Mittagessen (Griechische Spezialitäten) übergehen.
Gerald beschloss mir eine Ohrenkette zu basteln – jeder Passagier, der uns blöd anglotzte würde dafür ein Ohr „spendieren“. Höhöhö!
Die Wellen schienen etwas höher zu werden wovon man aber zunächst auf dem Schiff so gut wie nichts merkte. Die Temperatur lag bei ca. 15°C und Sonne und Wolken wechselten sich ab.
Den restlichen Nachmittag verbrachten wir auf Deck 9 bzw. auf unserer Kabine. Leider sollten Geralds Hemden erst um 18 Uhr von der Wäscherei gebracht werden, daher beschlossen wir auf den Kapitäns-Gala-Cocktail zu verzichten, wir würden Kapitän Paolo Benini ja beim CostaClub-Cocktail noch sehen. Zum Willkommens-Gala-Abendessen musste der Anzug mit T-Shirt genügen – etwas ärgerlich, aber auch kein Beinbruch. Wir nahmen es mit Humor und Geralds Outfit war immer noch besser als das manch anderer Passagiere. Beim Essen lernten wir auch endlich unsere Tischgenossen, die am Abend zuvor in der Pizzeria gespeist hatten, kennen. Die beiden waren sehr nett, kamen aus Thüringen und hatten bereits drei Kreuzfahrten mit Costa hinter sich.
Nach dem Essen gingen wir noch schnell in die Kabine, wo Geralds Hemden schon warteten. So konnte er sein Outfit meinem anpassen. Dann aber schnell in die Sport-Bar! Die anfänglichen Probleme mit dem Fernsehempfang konnten schnell behoben werden und unserem Fußball-Gala-Abend stand nichts mehr im Weg. Es spielten die „Schwuchteln“ Palermo (in rosa Trikots!!) gegen den AC Mailand. Mailand war erschreckend schwach und so überraschte das Ergebnis von 3:1 nicht.
Die Bar war anscheinend voll mit Mailand-Fans, deren Gesichter während des Spiels immer länger wurden. Besonders erstaunt hat mich, dass die sonst ständig plappernden, lärmenden Italiener total still waren und nur selten Kommentare zum Spiel abgaben. Ich hätte schon mit etwas mehr Stimmung gerechnet. Gleichzeitig lief das Spiel Irgendwer gegen die Glasgow Rangers, das ich allerdings nicht weiter verfolgte.
Im Anschluss fuhren wir auf Deck 9 um die Fahrt durch die Straße von Gibraltar, die Meerenge die das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet, zu bewundern. Und unglaublich aber wahr – kein Nebel! Ich hatte es also geschafft, ich war mitten zwischen Europa und Afrika und konnte die Lichter auf beiden Seiten bestaunen (an der engsten Stelle ist die Straße von Gibraltar lediglich 14km breit!). Ein gigantischer Anblick!
Nach einem letzten Cocktail des Tages („Campari Orange“) gingen wir ins Bett.
Fortsetzung folgt…
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